Darf Kunst noch schön sein?
Mit der Ausstellung „Beauty Strikes Back“ der Künstlerin Eliška Bartek vom 12.11.2022 - 14.01.2023 setzt die Hilleckes Gallery ein klares Zeichen und antwortet ohne Umschweife: JA!
Museen, Kunstmessen und Galerien scheinen im Stillen, bewusst oder unbewusst, einen Kunst-Kanon zu unterstützen, bei dem die Kunst alles sein kann und darf, meist provokativ und voller Irritationen, selten schön.
Mit Eliška Bartek vertritt die Hilleckes Gallery eine starke Position. Die aktuellen Arbeiten der Künstlerin, farbprächtige, opulente, barock anmutende Blumenarrangements, passen indes besser in die zeitgenössische Kunstwelt, als man auf Anhieb meinen würde.
Schönheit schlägt zurück. Der Titel der Ausstellung birgt ein Paradoxon, denn wie kann etwas noch schön sein, wenn es derart martialisch zugeht? Nun gibt es die Kampfkunst, und überall, wo Kunst im Spiel ist, mischt auch augenblicklich Schönheit mit. Zumindest aus klassischer Sicht, so hatte dies Gültigkeit bis Mitte des 18. Jahrhunderts.
Fand Gotthold Ephraim Lessing in den Ausführungen zu seinem Laokoon noch Argumente, um die Schönheit in den beaux arts belassen zu können, so wendete sich das Blatt spätestens mit der Schlegelschen Willkür-Ästhetik, welche die Moderne einleitet. Darstellungen, die beim Betrachter Ekel und Abscheu hervorrufen, und der Schockmoment werden schön über den Umweg des ‚Interessanten‘.
Für den modernen Menschen ist seitdem daraus das diffuse Gefühl erwachsen, in der zeitgenössischen Kunst gelte bis heute: Sei alles, bloß nicht schön!
Der Titel von Eliska Barteks neuer Ausstellung ist die Antwort der Künstlerin auf genau dieses Phänomen. Nun gilt spätestens seit der Leipziger Schule, dass zumindest die Malerei nicht tot ist, - was aber nicht zu einer Renaissance der Schönheit im klassischen Sinn geführt hat, mal abgesehen davon, ob dies wünschenswert wäre. Es muss immer weitergehen, im Sinne einer fortschreitenden Entwicklung. Aber es kann auch weitergehen im Sinne vom Rechnen nach der Kommastelle, was bedeutet, dass sich auch in den Zwischenräumen ins Unendliche kalkulieren lässt.
Hier setzten Barteks neue florale Arbeiten an. Sie knallen mit einer Wucht in den modernen Kunstbetrieb, dass einem angst und bang wird. Ist das erlaubt? Darf ich das großartig finden? Unglaublich, was hier passiert. Eine Künstlerin wagt es, Blumen in ihrer vollen Pracht und Schönheit zu malen, und zwar so begehrenswert, dass einige ihrer Arbeiten schon vor Eröffnung der Ausstellung reserviert wurden.
Es gibt anscheinend ein starkes Bedürfnis von Seiten der Betrachter nach schön Gemaltem und dennoch starke Zweifel, ob man da geschmacklich richtig liegt. Man muss schließlich den Furor der intellektuellen, der konzeptuellen, der Sonstwie-Kunst fürchten.
Vielleicht hilft es zu wissen, dass Bartek sich von jeher floralen Themen widmet. Prominent ihre fotografierten Blumenbildnisse, auch sie dekorativ und begehrenswert in ihrer Farbbrillanz, jedoch tragen sie den Untergang in sich. Jede dieser von Bartek fotografierten Blüten hauchte im Moment des Auslösens der Kamera durch die Hitze der Blitzlichter ihr Leben aus.
Genau das ist Barteks Thema, diese schwebende Gemarkung zwischen Leben und Tod, zwischen Schönheit und Zerstörung. Und auch mit dieser neuen Serie floraler Leinwandarbeiten verbirgt sich hinter der ganzen Pracht wieder das Memento Mori oder die Lehre der Vanitas, wie immer, wenn Blumen im Spiel sind.
Dieses Mal allerdings mit einem gereiften Entschluss der Künstlerin: Dem Käufer oder der Käuferin ist es erlaubt zu entscheiden, das erworbene Kunstwerk durch die Künstlerin zerstören zu lassen und so dem konzeptuellen Gedanken zum Sieg zu verhelfen, oder es in seiner ganzen Schönheit anzunehmen und so dem Titel der Ausstellung Rechnung zu tragen.
Bartek strikes back! Die Künstlerin wirft den Ball zurück. Sie entzieht sich der ewig gleichen Diskussion und lässt die neuen Eigentümer die Entscheidung treffen. Das Individuum muss abwägen. Was ist erwünscht: Schönheit oder die intellektuelle Beachtung?
Und man muss gut überlegen. Entscheidungen zu Gunsten der Schönheit enden mitunter ungut. Immerhin ist mindestens ein Krieg deswegen geführt worden, und der hat zehn Jahre gedauert.
Mit dem, was die Künstlerin hier bewirkt, tun wir uns im Allgemeinen schwer. Zerstörung ist nie einfach, und sie zwingt uns, genau zu überlegen, was es bedeutet zu zerstören. Wenn es den meisten von uns schon schwerfällt, eine Leinwandarbeit verätzen zu lassen, wieviel Energie und Überwindung braucht es dann, um Leben zu vernichten?
Für Bartek spielt diese Überlegung eine wesentliche Rolle. Sie hat 1968 den Einmarsch der Sowjets in Prag miterlebt, vor dem Hintergrund setzt der derzeitige Krieg in der Ukraine der Künstlerin besonders zu. Wie schön, wenn sich jemand entscheidet, mit Schönheit zurückzuschlagen!