Ambiguität.                                                                                                                              Magda Durda-Dmitruk*


Eliška Barteks vornehmlich schwarz-weißen Arbeiten befassen sich mit der Zähmung des Lichts in der Fotografie und in der Kunst, etwa in ihrer Serie von Fotogrammen, die ohne Kamera aufgenommen sind. Diese hochpoetischen Aufnahmen zeigen silhouettenhafte Nachbilder in der Gegen- überstellung mit zufällig entstandenen Schatten, wie sie der Alltag mit seinen stets wechselnden Bedingungen wirft. Indem sie Licht und Form wie intuitive Zustände festhält, zeigt Bartek das Wesen einer ambivalenten Realität in ihrem Übergang zu völliger Ambiguität oder scheinbarem Nichts. Mit ihren linear und geometrisch komponierten Abbildungen, die durch das Zusammenwirken der intentional bewegten Kamera und statischen Lichtquellen entstehen, konstruiert Bartek gleichsam ihre eigene Wirklichkeit. Inspiriert von der Realität und dabei hinter die Realität des Bildes greifend, bleibt die Natur von Barteks Arbeiten erkennbar, wiewohl die Aufnahmen selbst eine neue Wirklichkeitsebene offenbaren: die Struktur des Lichts im Raum, reflektiert im fotografischen Abbild. Die Bilder Eliška Barteks verweisen auf die künstlerische Tradition ihrer eigenen Heimat wie auch jene anderer Länder. Sie arbeitet im Geist des Konstruktivismus und der Geometrischen Fotografie, ebenso von Dada und Surrealismus. Ihre Werke erinnern an Talbots Photogenic Drawings: Abbildungen von Objekten, die auf fotoempfindlichem Papier belichtet wurden, einer Technik, die bei Avantgardekünstlern zwischen den Kriegen sehr beliebt war - man denke etwa an Laszlo Mohly-Nagy und Christian Schad oder die Tschechen Jaromir Funke, František Drtikol, Jaroslav Rössler und Eugen Wikovský. Diese Künstler experimentierten alle mit Lichteffekten, indem sie Objekte und Formen variierender Transparenz auf lichtempfindlichen Oberflächen platzierten, die sie statischen oder beweglichen Lichtquellen aussetzten. Barteks Fotogrammserie teilt diese Faszination mit der Macht des Lichts in der Fotografie; das Licht erscheint hier wie ein Demiurg, der einer unfassbaren Welt und ihren Elementen Form verleiht, eine künstlerische Wirklichkeit kreiert. Barteks Arbeiten gelingt es, das Wesen des Lichts einzufangen - seine ständige Veränderung, Fluidität, Momenthaftigkeit. Ihr Licht durchdringt reale Oberflächen, es reicht bis in die tiefen Schichten der Materialität hinein. Und so endet auch unsere Rezeption von Eliška Barteks Kunst nicht mit dem visuellen Genuss. 


* Direktorin des 5. Warsaw Festival of Art Photography 2009, Polen 

 

Durda-Dmitruk, Magda. 'Ambiguität'. Berge Versetzen. Eliska Bartek. 1st ed. Berlin: Photo Edition Berlin, 2010 


Download
Text_Ambiguität. M. Durda-Dmitruk.pdf
Adobe Acrobat Dokument 15.1 KB