Wie die Schneeflocken
in den grauen Wogenzügen der See
spurlos versinken,
so versinken die Menschen
im Gewoge der Zeit.
Toyotama Tsuno
Die neueren Bilder von Eligka Bartek (seit 1990) sind direkt und fremd, lassen kein langsames Annähern zu. Schnell scheint ihre Struktur - einfache horizontal gereihte Farbbänder - erfasst, selbst die metallischen Farbklänge geben zunächst wenig Anlass zur Versenkung. Die Bilder wirken grob und abweisend, - bleiben dabei aber nicht belanglos, sondern wecken ein ungutes Gefühl, auch Beklommenheit. Sie bauen untergründig eine emotionale Spannung auf, der man sich nicht einfach entziehen kann und entfalten allmählich eine suggestive Anziehungskraft.
So direkt sie sich geben, so wenig lässt sich ihre Machart bestimmen. Ein durchdachtes Malverfahren sorgt dafür, dass am Ende kein Pinselzug sichtbar ist, die Enstehung der Werke hinter ihrer solchermassen gesteigerten Erscheinungskraft verborgen bleibt. Die Farben haben sich selbsttätig innerhalb eines von der Künstlerin vorgegebenen Rahmens ausgebreitet, haben sich berührt und überlagert, sind ineinander geflossen und sogen sich schliesslich in die Leinwand ein. In der eigenen Anschauung lässt sich dieser Vorgang nachvollziehen. Schlieren, Flecken, verschwommene Ränder - ehedem als Mängel der Malerei erachtet - erweisen sich nun als Einstiege in eine in Fluss geratene Farbsubstanz, die jenseits klar artikulierter Farbräumlichkeiten (Nähe heller und warmer Töne - Ferne dunkler und kalter) eine neue Tiefe erschliesst. Sie resultiert aus dem Schichtenauftrag der Farbe. Bartek operiert mit je zwei verschieden zu kombinierenden Grund- und Oberflächentönen, wobei die unterste Schicht überall bestimmend sichtbar bleibt und stellenweise (vor allem an den Rändern) unverdeckt hervortritt.
Klare Konzeption der Bildstruktur (Reihung und Farbordung) kontrastiert so mit einer offenen, unfassbaren Farbsubstanz. Die anfänglich klar überschaubaren Bilder zerrinnen nun plötzlich. Der Gegensatz verschärft sich, da Bartek sie nach Fertigstellung mit einem flüssigen Firnis überstreicht, welcher die Malerei mit seinem Glanz verunklärt und nach aussen abschliesst. Das künstlerische Verfahren besteht quasi aus mehrfachem Grundieren und anschliessendem Verhüllen. Vor- und Nachbereitung der Leinwand sind gleichbedeutend mit der Werkgestaltung, Hinweise auf die eigentliche Malaktion, ja das Bild selbst, fehlen. Stattdessen besteht zwischen geschichtetem Grund und Firnis gleichsam ein Vakuum, das den Blick anzieht und fesselt. Im Bild gewahrt man dessen eigene Abwesenheit, es ist gleichsam entzogen, wie Bartek sagt. Dies trotz der Klangintensität der Farben und der schematischen Formklarheit. Einzelne, leicht bewegte Spuren durchmessen als letzte menschliche Reflexe noch einige Werke in der Breite, doch auch sie lösen sich bei genauerem Hinsehen auf, es sind Öffnungen ohne eigene Gestalt, die den matten Grund freigeben.
Ein Gefühl der Leere und Ferne entsteht angesichts dieser unverortbar "bildlosen" Bilder. Der Charakter der Farben trägt dazu bei: vor allem Violett und Blau, bisweilen auch Gelb, Grün oder Ocker werden mit Weiss und Schwarz gemischt, strahlen kalte Energie oder distanzierte Wärme aus, wirken gedämpft und träge, trotz ihrer oft geradezu glühenden Leuchtkraft eisig und sind im Begriffe zu verklingen, sich aufzulösen, zu versinken. Es sind Bilder des Abschieds, die sich wie ein Hauch an einem Fensterglas für Augenblicke niederschlagen, um sich sodann im Nichts aufzulösen. Sehnsucht und Melancholie klingen an, gleichwohl ist in ihnen medidative Ruhe und eine unendliche Weite, die erfüllt ist von weichen Schleiern geheimnisvollen Lichtes.
Barteks sinnlich - poetische Bilder (die viel mit japanischer Lyrik verbindet) machen gerade dank der ihnen entzogenen Bildlichkeit eine sogähnliche Kraft erfahrbar und weisen in Richtung auf jenen unvermeidlichen Horizont, wo Unterschiedenes im Auflösen sich vereinigt.
Dunkelrot geht der Mond
hinter den Bergen unter.
Ein Bild voller Schwermut.
Ich sehne mich
nach dem Leuchten der Ewigkeit.
Suehiro
* Kunsthaus Zug