Eliška Bartek hat sich 2009 auf den Spuren von Ferdinand Hodler malerisch mit den Alpen des Berner Oberlandes auseinandergesetzt.
Anders als Hodler zeigt sie aber nicht die Erhabenheit der unverrückbaren Natur im rhythmisch schwebenden Gleichklang von Himmel und Erde. Ihre Beschränkung auf Weißschwarz und eine besondere Kratztechnik schaffen stattdessen einen Bezug zum expressionistischen Holzschnitt. Die lichtdunkle Welt wirkt energetisch, schroff und roh. Hodlers majestätisch sich aufgipfelnder Bergarchitektur entgegnet sie eine in abgründigem Schwarz nervös durchpulste Natur. Die Präsenz des Augenblicks antwortet zeitloser Schönheit und Ruhe: ekstatische Entfesselung statt sphärischer Symbolik.
Bartek beschäftigt namentlich die Werkbiografie von Hodlers Gemälde „Stockhornkette mit Thunersee“. Einst mussten die Eigentümer das Bild auf Druck der Nationalsozialisten veräußern und kamen später in Auschwitz um; heute ist seine Eigentumsfrage noch immer umstritten. Damit haftet Hodlers entrückter Bergwelt indirekt etwas vom großen menschlichen Leid der Jahrhundertkatastrophe an; mit einem „unschuldigen Auge“ lässt sie sich jedenfalls nicht mehr bestaunen. Die einstige kosmische Idylle am Thunersee wirkt in Barteks Arbeiten aufgeladen von der verstörenden Erfahrung des Todes: Wie im Kampf sind Lichthell und Schattendunkel ineinander verschlungen.
Während die Alpen heute von der touristisch-industriellen Erschließung und millionenfachen Bildverbreitung gänzlich entzaubert sind, erlangen sie bei Bartek etwas von ihrer ehedem für den Menschen über Jahrhunderte bedrohlichen Seite zurück. Die vermeintlich verfügbar gewordene Natur erscheint wieder fremd, unheimlich und eindrucksvoll. Die ekstatischabgründigen Bergbilder erweisen sich mithin als existentielle, irrlichternde Kraftfelder.
* Kunsthaus Zug, Schweiz
Haldemann, Matthias. 'Irrlichtern'. Berge Versetzen. Eliska Bartek. 1st ed. Berlin: Photo Edition Berlin, 2010